Fast ein halbes Jahr nach dem Mord an ihrer Freundin Sylvia, den sie miterlebte, ist für Monika C. Nachts wird sie zuweilen von Bildern überfallen, die sie hochjagen, und sie greift dann nach der Gaspistole, die seit jenem Verbrechen neben ihrem Bett liegt. Sie sieht den Mann, der in den frühen Morgenstunden des Novembers an ihrem Bett im Schwesternwohnheim Stiegkamp des Allgemeinen Krankenhauses in Hamburg-Altona stand; mit einem Halstuch fesselte er ihre Hände auf dem Rücken, er drehte sie zur Wand und deckte sie bis über den Kopf zu. Sie hörte trotzdem, wie sich Sylvia verzweifelt gegen die Vergewaltigung wehrte, wie sie strampelte und schrie. Sie hörte ihre Freundin röcheln und auch, wie das Röcheln allmählich verstummte. Dann machte der Mann sich über sie her, vergewaltigte sie ein Die Burg Ihr Seid Nutten Nutten Mal mit einer Weinflasche. Er schlug sie brutal. Wer so etwas erlebt, kann nicht vergessen, sondern nur verdrängen, und das versucht Monika auch, so gut es geht. Sie haben Angst. Jede lauscht hinter festverriegelter Zimmertür auf Geräusche im Gang, bevor sie sich abends in die gemeinsamen Waschräume wagt, und sie schrecken hoch, wenn es auf dem kleinen Balkon vor dem Zimmer raschelt. Ringsum breiten sich Schrebergärten aus. Seit Jahren gab es im und um das Wohnheim herum bedrohliche Zwischenfälle, Belästigungen der Schwestern, Überfälle, Vergewaltigungen. Immer wieder hatten die Bewohner des Heims an die Verwaltung appelliert, für mehr Sicherheit zu sorgen. Aber sie wurden abgewiesen: Einer Schwester. Aber den Bewohnern des Heims am Stiegkamp reicht das nicht - aus gutem Grund. Mit zehn Zimmern, gemeinsamen sanitären Anlagen und einer gemeinsamen Küche bildet jeder Flur eine Wohneinheit. Faktisch leben die jungen Leute in Unterkünften ohne Wohnungstür. Aber bei Vorschlägen blieb es zunächst. Trotz des Verbrechens, trotz der zahlreichen Zwischenfälle, die es vorher gegeben hat, scheint sich ein Gefühl von wirklicher Dringlichkeit bei den Verantwortlichen nicht einzustellen. Wie leichtfertig und erbarmungslos die Öffentlichkeit solche Verdammung austeilt, erfuhren die Altonaer Schwesternschülerinnen wenige Tage nach dem Mord, als ihr Heim erneut in die Schlagzeilen geriet. Der Hamburger CDU war nämlich ein internes Schreiben der Polizei zugespielt worden, das sich lautstark über die dort herrschenden »katastrophalen Verhältnisse« entrüstete. Bei einem »einschlägig vorbestraften« Olaf S. Pauli habe die Die Burg Ihr Seid Nutten Nutten ein Kilo Haschisch sichergestellt, das in das bezeichnete Heim »geliefert werden sollte«. Junge Männer gingen »unkontrolliert aus und ein«. Bei einer Lernschwester namens Susanne hatte sich im vorigen Sommer ihr Freund, ein gewisser Atze G. Er wohnte widerrechtlich dort. Eine Nachbarin Susannes, der Atzes Aufenthalt im Heim nicht gefiel, erstattete Anzeige bei der Polizei, und die setzte einen Beamten in Zivil auf ihn an. Der »Zivi« kaufte erst einzelne Joints, angeblich, »weil er mal Hasch. Der V-Mann bat ihn, zu einem vereinbarten Termin 30 Gramm Hasch zu besorgen und - wenn möglich - auf St. Pauli jemanden für ihn zu finden, der ihm ein ganzes Kilo verkaufen würde. Am Atze war dran. Wenige Sekunden später stürmten neun Polizisten ins Zimmer, unter ihnen Atzes alter Bekannter. Das hätte wohl auch niemanden gekümmert. Für die Hamburger CDU jedenfalls war durch das Schreiben der Polizei das Verbrechen an Sylvia und Monika so gut wie geklärt. In einer Pressekonferenz und wenig später in einer Anfrage in der Bürgerschaft warf der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten Hartmut Perschau der Gesundheitsbehörde und der Verwaltung des Krankenhauses eine »unglaubliche Schlamperei« vor, die »das Leben eines jungen Menschen gekostet« habe; sie hätten, so das »Hamburger Abendblatt« über die Pressekonferenz der CDU, »auf den warnenden Brief der Polizei nicht reagiert und ihre Aufsichtspflicht gegenüber den Schwesternschülerinnen grob vernachlässigt«. Derlei geschehe halt, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmut Perschau auf der Pressekonferenz, »in Lebensbedingungen«, die »nicht den allgemeinen Sittengesetzen entsprächen«. Unter der Überschrift, »Sex, Hasch und Dealer« ging es im Innern dann flott weiter. Der Brief der Polizei wurde skandalträchtig zum »Geheimpapier« hochstilisiert.
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Chronik III • 2015
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